Mentale Gesundheit stärken: Selbstfürsorge für Frauen in einem anspruchsvollen Alltag

07.04.2025 | Artikel

Zwischen Karriere, Kindern, Care-Arbeit und gesellschaftlichen Erwartungen bleibt die eigene psychische Gesundheit bei Frauen oft auf der Strecke. Dabei ist es gerade in einem Leben mit hohen Anforderungen wesentlich, die eigene Gesundheit – physisch und psychisch – nicht zu vernachlässigen. Der Artikel zeigt auf, wie Frauen dies mehr priorisieren können.

Berufliche Anforderungen, Familienleben und Familienplanung, sozialer Druck – all das macht den Alltag für viele Frauen besonders herausfordernd. Zwischen Karriere, Care-Arbeit und gesellschaftlichen Erwartungen bleibt eins dabei oft auf der Strecke: die eigene psychische Gesundheit. Studien zeigen, dass Frauen besonders gefährdet sind, wenn es um psychische Erkrankungen wie Burnout, Angststörungen oder Depressionen geht. Umso wichtiger ist es, die Balance zwischen einem erfüllten, anspruchsvollen Berufs- und Familieneben zu finden und geistig wie auch körperlich ausgeglichen zu sein.

Selbstfürsorge hat auch mit Freiheit zu tun – etwa der Freiheit, trotz aller Verpflichtungen den eigenen Bedürfnissen Raum zu geben und nicht immer den vorgegebenen Rollenbildern entsprechen zu müssen. Achten Sie deshalb darauf, sich ausreichend Freiräume zu schaffen, in denen Sie sich entspannen, aber auch entfalten können — denn persönliches Wachstum braucht nicht nur Sicherheit, sondern eben auch Freiheit.

Psychische Gesundheit: Warum Frauen besonders gefährdet sind

Mehrere Studien belegen, dass Frauen doppelt so häufig wie Männer die Diagnose „Depression“ gestellt bekommen. Über den Grund wird seit vielen Jahren geforscht. Wie Prof. Dr. Birgit Derntl, Leiterin der AG Psychische Gesundheit & Gehirnfunktion von Frauen am Universitätsklinikum Tübingen erklärt, spielen wohl eine ganze Reihe von Faktoren mit – darunter soziale Normen und Erwartungen: „Neben der Biologie gibt es viele soziale Aspekte, die uns mitprägen. Es geht um Rollen, um Normen. Wie erfülle ich die? Was wird in einer bestimmten Rolle von mir erwartet? Ich bin Mutter, Tochter, Arbeitgeberin, Chefin – aber auch Angestellte. Und all das fließt mit ein.“

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Wir alle haben viele Rollen, und in diesen müssen wir funktionieren.

Prof. Dr. Birgit Derntl, Psychologin, Psychotherapeutin und Neurowissenschaftlerin


Derntl's Kollegin Dr. Lydia Kogler ergänzt, dass man jedoch differenzieren müsse: „Nicht generell zeigen Frauen höhere Prävalenzraten bei allen psychischen Erkrankungen. Es gibt durchaus auch stressassoziierte psychische Erkrankungen, in denen die Geschlechter gleich verteilt sind oder auch Männer höhere Prävalenzraten haben, so zum Beispiel bei Suchterkrankungen.“

Stressfaktoren, denen Frauen besonders ausgesetzt sind

Sozialer Druck

Viele Frauen stehen die meiste Zeit ihres Lebens unter enormem sozialen Druck. Besonders, wenn es um das Thema Familie geht, sind gesellschaftliche Vorstellungen und Normen oft eine Belastung. Egal, ob Alleinerzieherinnen, Frauen, die Kinder und Karriere miteinander vereinen , oder jene, die sich ganz der Erziehung widmen – überall werden Frauen mit Erwartungen, Rollenbildern, Idealvorstellungen (auch den eigenen) konfrontiert. Dieser soziale Druck kann gravierende Auswirkungen auf die Gesundheit haben, wie eine Studie der Universität Bern aus dem Jahr 2024 belegt.

Der Mental Load und die Doppelbelastung von Frauen

Nicht nur in Österreich, sondern auf der ganzen Welt, wird der Großteil der unbezahlten Sorgearbeit von Frauen verrichtet. Dabei bleibt für Frauen oft wenig Zeit, sich Themen wie "Selfcare" zu widmen. Gerade dieses Verzichten auf eigene Bedürfnisse birgt aber jede Menge Risikopotenzial für Erschöpfung, Burn-out oder andere psychische Erkrankungen.

Gesellschaftliche Erwartungen und hormonelle Einflüsse

Vom Zyklus über Schwangerschaft bis zu den Wechseljahren: Das Leben von Frauen ist von hormonellen Veränderungen geprägt. Dabei handelt es sich um biologische Prozesse, die keineswegs nur wesentlichen Einfluss auf das körperliche, sondern auch auf das seelische Wohlbefinden haben. Schwankungen im Hormonhaushalt beeinflussen kognitive und emotionale Prozesse – und können bei manchen Frauen mit affektiven Störungen oder Angst- und stressbedingten Erkrankungen in Zusammenhang stehen.

Mehrfachbelastung

Viele Frauen haben einen regulären Job, betreuen ihre Kinder und haben möglicherweise noch ein Familienmitglied, das von ihnen gepflegt werden muss. Das ist nicht nur ein enormer Druck, sondern auch eine körperliche und seelische Dauerbelastung, die zu Überarbeitung und damit auch zu Burnouts führen kann.

Stress ist subjektiv – und manchmal sogar positiv

Man dürfe Stress jedoch nicht von Prinzip aus verteufeln, da dieser eine wichtige Aufgabe erfüllt, erklärt Dr. Kogler.

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Stress ist auch positiv – besonders die Ausschüttung von Cortisol in einer Stresssituation . Dies hilft uns, uns an Situationen anzupassen und unserem Organismus und unserem Gehirn auch anpassungsfähig zu bleiben.

Mag. Dr. Lydia Kogler, Klinische- und Gesundheitspsychologin


"Wir wollen diese adaptive Reaktion. Stress kann auch motivierend sein, uns ermutigen, über unsere Grenzen zu gehen. Das ist ein wichtiger physiologischer Faktor, eine Reaktion. Was wir nicht wollen, ist, dass wir hier inflexibel werden oder nicht mehr reagieren können.“ so Dr. Kogler.

Prof. Dr. Derntl warnt zudem vor pauschalen Aussagen wie „Frauen sind gestresster“. Pauschalisierungen, so Derntl, könnten sich leicht festsetzen und stereotype Bilder verstärken. Das führe im schlimmsten Fall dazu, dass Frauen selbst den Eindruck bekämen, „ich bin eine Frau, also muss ich ja mehr gestresst sein“. Das sei schlicht nicht der Fall.

Auch Dr. Lydia Kogler rät zu einer differenzierten Sichtweise: Man könne gar nicht pauschal sagen, dass Frauen eine stärkere oder schwächere Stressregulation hätten. Auf physiologischer Ebene – etwa beim Hormon Cortisol – zeige sich zum Beispiel bei Männern oft eine deutlichere Reaktion auf akuten Stress, insbesondere in leistungsbezogenen Situationen. Entscheidend sei, so Kogler, zwischen verschiedenen Ebenen der Stressreaktion zu unterscheiden: dem subjektiven Erleben, der hormonellen Komponente und den physiologischen Prozessen.

Self-Care-Strategien:

Selbstfürsorge als Antwort auf Überforderung

Grenzen setzen und Nein sagen lernen

Wer ständig gibt, muss auch lernen, sich abzugrenzen. Frauen sollten sich bewusst Freiräume schaffen – durch klare Kommunikation, das Ablehnen zusätzlicher Aufgaben und das Bewusstmachen der eigenen Bedürfnisse.

Bei allen familiären, beruflichen und gesellschaftlichen Verpflichtungen ist es wichtig, auf sich selbst zu schauen – und auch einmal „Nein“ sagen zu können. Dazu gehört auch, persönliche wie auch berufliche Grenzen zu setzen und diese zu wahren. Es ist wichtig, seine eigenen Bedürfnisse zu kennen und zu respektieren.

Techniken zur Achtsamkeit, Meditation und Stressreduzierung

Egal, ob einfache Atemübungen, Meditation oder autogenes Training: Es gibt eine Fülle von vielen, teils leicht erlernbaren Techniken, die Sie jederzeit in einer kurzen Pause umsetzen können und damit Ihr Wohlbefinden steigern und zur Ruhe kommen können.

Eine kleine Meditationsübung: Setzen Sie sich bequem hin, schließen Sie die Augen, atmen Sie bewusst ein und aus und konzentrieren sich ganz auf Ihren Atem. Wenn Gedanken auftauchen, nehmen Sie diese nur wahr, aber lassen Sie diese auch wieder vorbeiziehen. Kehren Sie immer wieder zum Atem zurück, fühlen Sie, wie sich der Brustkorb beim Ein- und Ausatmen hebt und senkt.

Auf den Geschmack gekommen? Wenn Sie gerne Anleitungen haben wollen, finden Sie viele Apps mit geleiteten Meditationen – auch gibt es in nahezu jeder Stadt einige Meditationsgruppen und Kurse.

Zur Stressreduktion eignen sich aber auch andere Techniken – von Yoga bis Ausdauersport können Sie Ihr Wohlbefinden deutlich steigern und sich selbst resilienter machen. Eine „One size fits all“-Lösung zur Stressbewältigung gibt es allerdings nicht, da Stress subjektiv ist.

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Die Krux beim Stress ist ja, dass er individuell ist. Was Sie stresst, stresst mich vielleicht gar nicht.

Prof. Dr. Birgit Derntl, Psychologin, Psychotherapeutin und Neurowissenschaftlerin


Allgemein gehaltene Vorschläge wie Entspannungstechniken, Achtsamkeit oder das Setzen von Grenzen seien zwar grundsätzlich sinnvoll und hätten vielfach ihre Wirksamkeit bewiesen – ob sie jedoch bei der jeweils betroffenen Person tatsächlich effektiv sind, müsse individuell geprüft werden.

Ausreichender Schlaf und gesunde Ernährung als Schlüsselfaktoren für mentale Gesundheit

Schlaf und Ernährung, darüber ist sich die moderne Wissenschaft einig, sind wesentliche Faktoren für psychisches Wohlbefinden. Eine Studie der Universität Otago in Neuseeland zeigte, dass vor allem die Schlafqualität einen besonders starken Einfluss auf die mentale Gesundheit junger Erwachsener hat. Das Fazit der Wissenschaftler: Wer sich gut ernährt, gut schläft und ausreichend bewegt, hat ein geringeres Risiko, an einer Depression zu erkranken.

Ein starkes Unterstützungsnetzwerk aufbauen

Sprechen Sie mit Freund_innen oder Familienmitgliedern über Ihre Gefühle – auch das ist ein erster, wichtiger Schritt zur Entlastung. Wenn Sie das Gefühl haben, professionelle Unterstützung zu benötigen, wenden Sie sich an Psycholog_innen, Therapeut_innen oder Coaches, die Ihnen weiterhelfen können. Bauen Sie sich ein stabiles Support-Netzwerk auf, das Ihnen nicht nur mit Rat, sondern im besten Fall auch ganz konkret mit Tat zur Seite steht.

Peer-Groups, also Gruppen gleichgesinnter Personen, sind enorm hilfreich, wie Prof. Dr. Birgit Derntl erklärt: „Peer-Groups führen dazu, dass man sich aufgehobener fühlt, auch validiert – die eigenen Erwartungen abgleichen kann, sich aussprechen kann.“ Zum Unterstützungsnetzwerk gehört auch, jemanden zu haben, der vielleicht mal auf die Kinder aufpassen kann, während Sie sich etwas Gutes tun können. Aber auch hier heißt es darauf zu achten, ob der Austausch wirklich gut tut und was wird benötigt. Nicht jeder soziale Austausch muss immer hilfreich sein.

Dr. Lydia Kogler betont, wie wichtig es ist, sich eine realistische Einschätzung über die eigene Lage zu machen.

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Welche Ressourcen habe ich gerade in meiner Lebenssituation, um überhaupt Dinge umzusetzen? Sei das jetzt mental, kognitiv, aber natürlich auch finanziell.

Mag. Dr. Lydia Kogler, Klinische- und Gesundheitspsychologin


Ressourcen für Frauengesundheit und mentale Balance

Die Generali kennt sich mit den vielfachen Belastungen, die Frauen in ihrem Alltag erleben aus – und bietet mit Blick auf mentale Gesundheit eine ganze Reihe von Ressourcen an, die Frauen bestmöglich in ihrem Berufs- und Privatleben unterstützen und absichern.

Selbstfürsorge bewusst leben: für sich selbst und andere

Frauen stehen einer Reihe von immensen alltäglichen Anforderungen gegenüber, die sie zu meistern haben. Gerade deswegen ist es umso wichtiger, die eigenen Bedürfnisse und die mentale Gesundheit zu priorisieren – und ihnen eine ebenso wichtige Rolle einzuräumen wie der eigenen Familie und dem Beruf.

Langfristig gilt: Wer auf andere achtet, muss auch auf sich selbst achten. Egal, ob Meditation, Yoga, Coachingstunden oder Gespräche mit Freund_innen: Pflegen Sie Ihr eigenes Seelenleben, gehen Sie behutsam mit sich selbst um – und achten Sie auf genug Freiraum für sich selbst und auf ihre Individuellen Bedürfnisse. Nicht nur in puncto Stressmanagement gilt: Was anderen hilft, muss nicht automatisch auch für Sie passen. Dr. Lydia Kogler empfiehlt daher ganz pragmatisch, es einfach mal für sich selbst auszuprobieren, was einem gut tut. Das sieht Prof. Dr. Birgit Derntl ähnlich: „Was sich gut tut, kann sich auch ändern. Mit 20 kann mir zum Beispiel Yoga gut tun – und mit 40 etwas ganz anderes“. Es gilt: ausprobieren – und dabei bleiben!

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Mag. Dr. Lydia Kogler

Klinische- und Gesundheitspsychologin

Studium/Weiterbildung/Forschungsaufenthalte: Universität Wien, RWTH Aachen, University of Pennsylvania/Philadelphia, Uniklinik Tübingen, Psychotherapeutisches Propädeutikum. Forschungsthemen: Kognitive Modulation der Stressregulation im Hirn im Geschlechtervergleich. Affektive Psychoneuroendokrinologie.

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Prof. Dr. Birgit Derntl

Psychologin, Psychotherapeutin und Neurowissenschaftlerin

Universitätsprofessorin für Psychische Gesundheit und Gehirnfunktion von Frauen, Universität Tübingen. Sprecherin Internationales Graduiertenkolleg IRTG 2804. Gleichstellungsbeauftragte der Medizinischen Fakultät Tübingen. Forschungsthemen: Soziale und affektive Neurowissenschaften, Psychoneuroendokrinologie, Stress, Emotionen, Geschlecht/Gender.


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